Solidarhaftung Schweizer Bevollmächtigter (CH-REP)

Pharma und Healthcare

CH-REP: Solidarische Haftung des Bevollmächtigten für Medizinprodukte

Der Schweizer Bevollmächtigte (CH-REP) haftet solidarisch mit dem Hersteller von Medizinprodukten. Doch die Regelung der Haftung ist unvollständig und lässt wichtige Fragen offen. Namentlich ist gesetzlich nicht geregelt, ob der Bevollmächtigte auch für Produkte haftet, die ohne seine Kontrolle in die Schweiz eingeführt werden. Damit stellt sich auch die Frage, ob der Bevollmächtigte überhaupt verhindern kann, dass Medizinprodukte ohne sein Wissen in die Schweiz eingeführt werden, für die er dann aber haften muss. Welche Möglichkeiten hat der Schweizer Bevollmächtigte, um dieses Risiko abzuwenden?

08.02.2022 Matthias Stauffacher  •   Dr. Christoph Willi, LL.M.

Die Haftung des Bevollmächtigten ist dem Heilmittelgesetz (HMG) gerade ein einziger Satz wert:

« Die bevollmächtigte Person haftet gegenüber der geschädigten Person solidarisch mit dem Hersteller. »

Art. 47d, Abs. 2 HMG

Diese Bestimmung lässt offen, gestützt auf welche Rechtsgrundlage und unter welchen Voraussetzungen der Bevollmächtigte haftet. Der Gesetzgeber ging offenbar davon aus, dass der Bevollmächtigte immer dann haften würde, wenn auch der Hersteller zur Verantwortung gezogen werden kann. - Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ist die Haftung jedenfalls nicht auf Produktefehler beschränkt und auch Mängelfolgeschäden sind von der Haftung nicht ausgeschlossen – also beispielsweise wenn ein Patient infolge eines mangelhaften Medizinproduktes einen bleibenden Körperschaden erleidet. Ebenso wenig ist der Bestimmung zu entnehmen, ob der Bevollmächtigte unabhängig vom Verschulden oder von einer von ihm zu verantwortenden Sorgfaltsverletzung haftet.

Solidarhaftung, aber wofür?

Nach dem HMG haftet der Bevollmächtigte unabhängig davon, ob das Medizinprodukt mit seinem Wissen in die Schweiz eingeführt wurde – der Import kann auch durch Dritte erfolgen (Parallelimport). 

Das Mandat des Bevollmächtigten ist nicht auf unabhängige Dienstleister beschränkt. Auch ein Importeur oder Händler kann als Bevollmächtigter für die von ihm in der Schweiz vertriebenen Produkte eingesetzt sein, sofern er eine entsprechende Vereinbarung mit dem Hersteller abgeschlossen hat. Gerade aus Sicht eines Importeurs oder Händlers macht es aber einen wesentlichen Unterschied, ob die Haftung auf die eigenen Produkte beschränkt ist oder auch Produkte umfasst, die von Dritten in die Schweiz eingeführt wurden. Nach dem knappen Wortlaut des HMG kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass der Bevollmächtigte auch dann haftet, wenn der Dritte den Namen des Bevollmächtigten eigenmächtig auf der Kennzeichnung oder auf den Begleitpapieren angebracht hat, die Produkte nicht oder falsch gelabelt sind, die Meldung an den Hersteller unterlassen wurde oder kein ausreichendes Qualitätsmanagementsystem vorhanden ist.

Müssen Importe autorisiert sein?

Aufgrund der weitreichenden haftungsrechtlichen Folgen stellt sich die Frage, ob Medizinprodukte ohne Zustimmung des Herstellers oder des Bevollmächtigten überhaupt in die Schweiz eingeführt werden dürfen und welche Auswirkungen ein nicht autorisierter Import auf die Haftung des Bevollmächtigten hat.

Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Heilmittel-, Patent- und Kartellrecht.

Heilmittelrecht

Das Heilmittelgesetz und die gestützt darauf erlassene Medizinprodukteverordnung verpflichten den Hersteller zur Überwachung der von ihm in Verkehr gebrachten Produkte. Durch die Produkteüberwachung soll die Sicherheit von Anwendern und Patienten verbessert werden. Zu diesem Zweck muss der Hersteller die Rückverfolgbarkeit über die ganze Vertriebskette sicherstellen und in der Lage sein, im Fall eines Rückrufes die Abnehmer zu kontaktieren. Die Rückverfolgbarkeit ist jedoch nur gewährleistet, wenn der Hersteller auch in Erfahrung bringen kann, wer die Endabnehmer seiner Produkte sind. Entsprechend sind auch die Importeure und Händler verpflichtet, mit dem Hersteller zu kooperieren. Für den Fall eines ausländischen Herstellers ist der Bevollmächtigte als dessen Stellvertreter für die sicherheitsrelevanten Belange zuständig. Die Umsetzung dieser Pflichten sind sinnvollerweise in einem Vertrag zu regeln. Ein blosses Quality Assurance Agreement reicht dazu aber nicht aus, da diese der besonderen Situation der Schweiz als EU-Drittland nicht ausreichend Rechnung tragen.

Patentrecht

Der Patentinhaber hat das Recht zu bestimmen, unter welchen Konditionen ein Produkt erstmals in Verkehr gebracht werden darf. Mit dem erstmaligen Inverkehrbringen sind die Rechte des Patentinhabers erschöpft. Er darf den weiteren Vertrieb nicht kontrollieren oder von Bedingungen abhängig machen. Nach dem Patentrecht gilt als erstmaliges Inverkehrbringen der Verkauf im europäischen Wirtschaftsraum (EU/EWR). Hat der Hersteller das Produkt an einen Händler in Ljubljana/Slowenien verkauft, so kann er den Weiterverkauf dieser Produkte an einen Schweizer Abnehmer nicht unterbinden, denn Slowenien ist ein EU-Mitgliedstaat. Mit dem Verkauf an einen slowenischen Abnehmer gilt das Produkt auch für die Schweiz als in Verkehr gebracht. Davon ausgenommen sind Produkte, deren Preise in der Schweiz oder im Land des erstmaligen Inverkehrbringens staatlich festgelegt sind, wie das beispielsweise bei der Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL) oder der Analysenliste der Fall ist. Jedenfalls erscheint es nicht ausgeschlossen, dass dem Hersteller von Medizinprodukten das Recht zusteht, gestützt auf das Patentrecht die Einfuhr von Medizinprodukten zu unterbinden, sofern eine staatliche Preiskontrolle vorliegt. Dies muss im Einzelfall geprüft werden. Da die sozialversicherungsrechtlichen Vergütungssysteme unionsrechtlich nicht vereinheitlicht sind, sind keine allgemeinen Aussagen darüber möglich, ob die Preise von Medizinprodukten staatlich direkt oder indirekt kontrolliert werden.

Kartellrecht

Die sich aus dem Patentrecht ergebenden Ausschliesslichkeitsbefugnisse sowie die in der neuen Medizinprodukteregulierung vorgeschriebenen Mitwirkungs- und Zusammenarbeitspflichten stehen in einem Spannungsverhältnis mit dem Kartellrecht. Das Kartellrecht bezweckt den Wettbewerb zu fördern und volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern. Unzulässig sind deshalb Abreden, die zur Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs führen. Beispielsweise wird bei Vertriebsverträgen eine Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs vermutet, wenn ein bestimmtes Vertragsgebiet einem Händler allein zur Bearbeitung zugewiesen wird und es ausserhalb dieses Gebietes tätigen Händlern untersagt ist, Verkäufe an Kunden dieses Vertragsgebietes zu tätigen. Einem ausländischen Händler darf es nicht verboten werden, Schweizer Kunden zu beliefern. Nur die aktive Marktbearbeitung darf dem ausländischen Hersteller verboten werden.

Ebenso wenig dürfen die aus dem Heilmittelrecht sich ergebenden Zusammenarbeitspflichten dazu missbraucht werden, Importe durch Dritte einzuschränken. Insbesondere dürfen die Informationspflichten nicht dazu verwendet werden, die Wirtschaftsakteure zur Bekanntgabe preisrelevanter Informationen zu verpflichten, wie Einstandspreis, Produktionskosten, Menge, Umsatz oder Verkaufszahlen.

Auswirkungen

Sowohl das Heilmittelgesetz als auch das Patentrecht geben dem Hersteller die Möglichkeit, die Einfuhr von Medizinprodukten in die Schweiz zu kontrollieren. Gestützt darauf kann der Bevollmächtigte die Übernahme des Mandates für den Hersteller davon abhängig machen, dass keine Produkte in die Schweiz eingeführt werden, welche die heilmittelrechtlichen Vorschriften in der Schweiz verletzen. Dazu kann er verlangen, dass der Dritte über ein ausreichendes Qualitätsmanagementsystem verfügt und sich an der Zusammenarbeit mit dem Bevollmächtigten als inländischer Stellvertreter des Herstellers beteiligt. Derartige Absprachen unterscheiden sich von den sonst üblichen Qualitätsvereinbarungen. Sie erlauben dem Bevollmächtigten, seine solidarische Haftung auf Produkte zu beschränken, die mit seinem Wissen und unter seiner Kontrolle in die Schweiz eingeführt werden. Derartige Vereinbarungen müssen durch den Zweck des Heilmittelrechts und des patentrechtlichen Ausschliesslichkeitsrechts gedeckt sein, damit sie kartellrechtlich zulässig sind. Die Prüfung der kartellrechtliche Zulässigkeit hat im konkreten Einzelfall zu erfolgen. Generelle Aussagen sind dazu nicht möglich.

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