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MDR: Verantwortliche Person (PRRC) und ihre Aufgaben

Seit dem 26. Mai 2021 müssen alle Hersteller von Medizinprodukten und Bevollmächtigten über eine Person verfügen, welche für die Einhaltung der regulatorischen Vorschriften verantwortlich ist. Die Einführung der Verantwortlichen Person ist eine der wesentlichen Neuerungen der neuen Medizinprodukteregulierung. Nachfolgend informieren wir Sie über die Aufgaben der Verantwortlichen Person in der Schweiz – beschränkt auf Hersteller von Medizinprodukten und In-Vitro-Diagnostika.

12.08.2021 Matthias Stauffacher  •   Dr. Christoph Willi, LL.M.

Die für die Einhaltung der regulatorischen Vorschriften verantwortliche Person (PRRC) ist vergleichbar mit der fachtechnisch verantwortlichen Person, wie sie im Umgang mit Arzneimitteln etabliert ist. Sie nimmt eine zentrale Rolle bei der Überwachung und Kontrolle von Medizinprodukten ein. Im Vordergrund steht die Herstellung, Marktüberwachung (Post-Market Surveillance) und Meldung (Vigilanz).

Mit der Anpassung ihrer Gesetzgebung an die EU-MDR hat die Schweiz die Verantwortliche Person in ihr eigenes Recht übernommen, verweist für Einzelheiten aber integral auf europäisches Recht.

Wer ist betroffen?

Um die Einhaltung der Vorschriften kontrollieren und überwachen zu können, müssen Hersteller von Medizinprodukten oder von In-Vitro-Diagnostika eine Verantwortliche Person in ihrer Organisation anstellen. Die Anstellung der Verantwortlichen Person entlastet den Hersteller nicht von der Gesamtverantwortung für seine Produkte und deren Konformität. Vielmehr soll die Verantwortliche Person gewährleisten, dass beim Hersteller die erforderlichen Kenntnisse für die Umsetzung der regulatorischen Anforderungen vorhanden sind.

Für Klein- und Kleinstunternehmen sind Erleichterungen vorgesehen, indem sie die Aufgabe der Verantwortlichen Person auf einen Dritten übertragen dürfen. Dazu müssen sie mit dem externen Dienstleister einen schriftlichen Vertrag abschliessen und die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten regeln.

Als Klein- und Kleinstunternehmen gelten Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von weniger als 10 Millionen Euro oder einen anlogen Betrag in Schweizer Franken.

Aufgaben der Verantwortlichen Person

Die Verantwortliche Person hat spezifische Aufgaben im Umgang mit Medizinprodukten und In-Vitro-Diagnostika zu erfüllen. Nach dem Wortlaut der EU-MDR bzw. EU-IVDR obliegen ihr mindestens folgende Aufgaben:

  • Überprüfen der Produkte nach dem Qualitätsmanagement-System bevor sie vom Hersteller freigegeben werden;
  • Erstellen der technischen Dokumentation und der Konformitätserklärung sowie deren Aktualisierung;
  • Durchführen der Marktüberwachung nach dem Inverkehrbringen (Post-Market Surveillance);
  • Erfüllen der Meldepflichten über schwerwiegende Vorkommnisse.

Bei diesen Aufgaben handelt es sich um Teilaspekte des Qualitätsmanagement-Systems. Für eine effiziente und wirksame Kontrolle und Überwachung von Medizinprodukten ist ein leistungsfähiges Qualitätsmanagement-System unerlässlich. Nur dann kann die Verantwortliche Person die ihr obliegenden Aufgaben erfüllen. Daraus ist zu schliessen, dass die Verantwortliche Person für die Einrichtung, den Betrieb und die Weiterentwicklung des Qualitätsmanagement-Systems umfassend verantwortlich ist, einschliesslich dem System für das Risikomanagement und der Überwachung nach dem Inverkehrbringen.

Die ihr obliegenden Aufgaben muss die Verantwortliche Person nicht in eigener Person allein erfüllen. Es genügt, dass diese Aufgaben unter ihrer Verantwortung ausgeübt werden. Überträgt die Verantwortliche Person einzelne der ihr obliegenden Aufgaben an eine andere Person, ist sie für deren Auswahl, Instruktion und Überwachung verantwortlich. Die Umsetzung ist in internen Arbeitsanweisungen näher aus­zuführen.

Zivil- und strafrechtliche Haftung

Wenn Sie mehr zu diesem Thema wissen möchten, informieren wir Sie gerne auch zur zivil- und strafrechtlichen Haftung der Verantwortlichen Person und welche Massnahmen zu ergreifen sind, um das Risiko dieser Tätigkeit zu reduzieren. Unsere Empfehlungen sind unverbindlich und für Sie kostenlos.

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Stellvertretung und Teilzeit

Hersteller und Bevollmächtigte müssen über mindestens eine Verantwortliche Person verfügen bzw. darauf zurückgreifen können. Zum Umfang der Beschäftigung äussern sich die Verordnungen nicht. Dieser muss aufgrund der Umstände im Einzelfall bestimmt werden.
Massgebend ist, dass der Grad der Beschäftigung angemessen ist um die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten. Eine Vollzeitbeschäftigung ist weder stets erforderlich noch immer ausreichend.

Die rechtlichen Vorgaben lassen es zu, dass die Tätigkeit der Verantwortlichen Person von einer oder mehreren Personen gemeinsam ausgeübt werden. Wie sich diese Personenmehrheit organisiert, ist nicht vorgeschrieben. Die Abläufe und Verantwortlichkeiten sind aber in unternehmensinternen Arbeitsanweisungen festzulegen. Auch die Stellvertretung ist schriftlich zu regeln.

Fachliche und persönliche Anforderungen

Die fachlichen Anforderungen unterscheiden sich je nach Ausbildung und beruflicher Erfahrung: Bei abgeschlossenem Hochschulstudium oder einer als gleichwertig anerkannten Ausbildung ist eine einjährige Berufserfahrung in den Bereichen Regulatory Affairs oder Qualitätsmanagement im Bereich Medizinprodukte erforderlich. Ohne entsprechendes Studium wird eine vierjährige Berufserfahrung verlangt – immer in den Bereichen Regulatory Affairs oder dem Qualitätsmanagement von Medizinprodukten.

Für die fachtechnisch verantwortliche Person verlangt das schweizerische Heilmittelrecht zusätzlich die Erfüllung persönlicher Anforderungen. Namentlich muss die Vertrauenswürdigkeit gewährleistet sein. Nach der Praxis der Schweizer Vollzugsbehörden fehlt es an der Vertrauenswürdigkeit, wenn eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer heilmittelrechtlich relevanten Straftat vorliegt. Auch muss die fachtechnisch verantwortliche Person zumindest einer schweizerischen Amtssprache mächtig sein. Es ist davon auszugehen, dass diese Anforderungen auch im Umgang mit Medizinprodukten gelten. Ein Wohnsitz in der Schweiz ist nicht zwingend erforderlich.

Unabhängigkeit

In Übereinstimmung mit der EU-MDR bzw. EU-IVDR hält die MepV fest, dass die Verantwortliche Person keinerlei Nachteile erleiden soll, wenn sie ihre Pflichten korrekt erfüllt. Gemäss den Erläuterungen des BAG soll damit die Unabhängigkeit gewährleistet werden: Bei der Ausübung ihrer Tätigkeit soll die Verantwortliche Person nicht durch wirtschaftliche Interessen beeinflusst werden.

Die Bestimmung vermag die Unabhängigkeit der Verantwortlichen Person nicht zu gewährleisten. Anders als die fachtechnisch verantwortliche Person im Arzneimittelwesen ist die Verantwortliche Person weder weisungsberechtigt noch von der Geschäftsführung unabhängig. Jedenfalls enthalten die Verordnungen keine Bestimmung, wonach die Verantwortliche Person nicht Mitglied der Geschäftsleitung sein darf. Nur beim Hersteller und beim Bevollmächtigten soll dieselbe Person nicht gleichzeitig die Aufgabe der Verantwortlichen Person wahrnehmen dürfen.

Ebenso wenig ist die Verantwortliche Person vor Nachteilen geschützt. Dies unabhängig davon, ob sie ihre Pflichten korrekt erfüllt oder nicht. Das schweizerische Arbeitsrecht enthält keine Bestimmung, welche die Verantwortliche Person vor ungerechtfertigten arbeitsrechtlichen Sanktionen schützen würde. Kommt es aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zu einer Kündigung, so kann die Verantwortliche Person - auch gerichtlich - keine Wiedereinstellung erzwingen. Dies selbst wenn ihr keine Pflichtverletzung nachgewiesen werden kann. Der fehlende arbeitsrechtliche Schutz schwächt die Unabhängigkeit der Verantwortlichen Person im Unternehmen und in der Ausübung ihrer Pflichten. Zu ihrem eigenen Schutz ist es deshalb wichtig, dass die Verantwortlichkeiten und Abläufe ihrer Tätigkeit in internen Reglementen klar geregelt werden.

Umsetzungsfrist

Ab dem 26. Mai 2021 müssen Hersteller eine Verantwortliche Person ernannt haben. Für die Umsetzung sind keine Übergangsfristen vorgesehen. Für die Registrierung der Marktteilnehmer gilt aber eine Frist bis am 26. November 2021 bzw. von 3 Monaten ab der erstmaligen Bereitstellung eines Produktes in der Schweiz. Diese Fristen gelten auch für die Meldung der Verantwortlichen Person an Swissmedic. Entsprechend besteht in zeitlicher Hinsicht ein gewisser Spielraum – jedenfalls bis der Name der Verantwortlichen Person nach Aussen bekannt gegeben wird. Ist die Verantwortliche Person aber einmal gemeldet, ist bei einem späteren Wechsel die neue Verantwortliche Person innert 7 Tagen an Swissmedic zu melden.

Bleiben Sie auf dem Laufenden

Aus aktuellem Anlass werden sich unsere nächsten Publikationen mit der MDR befassen. Einen Schwerpunkt haben wir auf die Verantwortliche Person gelegt. Da viele unserer Leser in dieser oder einer ähnlichen Funktion für ihr Unternehmen tätig sind, gehen wir gerne auf Ihre damit verbundenen Fragen ein. Nehmen Sie mit uns Kontakt auf.

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